Bericht Schweizer Illustrierte - Januar 2022

Bericht: Marcel Huwyler / Schweizer Illustrierte
Foto: Geri Born / Schweizer Illustrierte

Schweizer Illustrierte

Ich kann riechen, ob meine Flöten gut werden. Wenn das Holz beim Drechseln nach Kokosnuss duftet, ist es zu trocken. Hat es hingegen die per- fekte Feuchtigkeit und den richtigen Öl-Anteil, riecht es nach schwarzer Schokolade.

Bitte nicht Hochdeutsch mit mir sprechen. Lieber Mundart oder Englisch. Schwiizerdütsch verstehe ich gut – und spreche es auf meine eigene Weise. Ich nenne es Skipidütsch. Ich heisse Skip, komme aus dem Nordosten der USA und bin am Meer aufgewachsen. Meine Vorfahren waren Krabbenfischer, und auch ich fuhr aufs Meer, bis ich 17 war. Bis ich professio- neller Flötenspieler und -bauer wurde.

Mein richtiger Name lautet: Bradford Brendan Barlow Benson Skipper Healy. Aber alle sagen nur Skip. Meine Vorfahren kommen aus England und gehörten zu den ersten Siedlern. Sie sind 1620 an Bord der berühmten «Mayflower» in die USA gesegelt. Ich habe aber auch indianisches Blut in mir.

Mit acht begann ich, die Fife zu spielen, das ist die hölzerne Urform aller Längspfeifen, kleiner als die Querflöte, grösser als ein Piccolo. Ich wur­de älter und spielte immer besser, bis ich gar als Musiker engagiert wurde. Später unterrichtete ich und gab Konzerte auf der halben Welt. 1982 kam ich auf einer Tournee auch erstmals nach Basel. Und die Stadt hatte es mir sofort angetan. Diese vielen Fasnachts-Cliquen und ihr Piccolo- spiel … great. Ich blieb grad für drei Monate hier.

In den 90er-Jahren gründete ich die Healy Flute Company, begann, Flöten zu bauen – und «erfand» die Fife neu. Meine hat eine spezielle Form und dadurch einen anderen Klang. Jeder Ton klingt gleich laut, «sounds like a organ», tönt wie eine Orgel, das gabs vorher so nie. Darum wurde wohl auch The Old Guard auf mich auf- merksam. Das ist die Ehrengarde des US-Präsi- denten, die spielt bei offiziellen Auftritten und Empfängen. Zu Obamas Amtseinsetzung durfte ich der Old Guard neue Pfeifen liefern, dann bei Trump und zuletzt, im Januar 2021, bei Joe Biden. Dass die halbe Welt dann jeweils Skipi-Flöten- sound hört, macht mich unheimlich stolz.

Mittlerweile beliefere ich auch die Garde des dänischen Königshauses und in den USA jene der Air Force, der Navy und der Coast Guard.

Warum ich in der Schweiz geblieben bin und heute in Wohlen im Aargau lebe? Die Liebe …

Für meine Fifes verwende ich Grenadill-Holz aus Tansania, ich habe auch schon Kirschbaum genommen aus Schwiegervaters Baumplantage. Eine Fife benötigt 172 Arbeitsschritte und kostet 600 bis 700 Franken. Alles ist Handarbeit.

Mittlerweile bin ich Doppelbürger. Manchmal vermisse ich den Duft des Atlantiks und den Song der Wellen. Wenn mich das Heimweh zu fest packt, gehe ich mit meiner wunderschönen sechsjährigen Tochter Abbygail zum Fischen.

Open/Download: INTERVEW MIT SKIP (Originalartikel pdf)